Carearbeit und EqualPayDay

Der Equal Pay Day ist ein Aktionstag gegen Diskriminierung von Frauen. Er will skandalisieren, dass Frauen in Deutschland weniger Einkommen haben als Männer.

Sie verdienen 21 % weniger. Für jeden Euro, den Männer für Erwerbsarbeit am 31.12.2019 bekommen haben, müssen Frauen bis 17. März arbeiten. Am 31.12.2019 wurden ihnen für ihre Arbeit im Vergleich nur 0,79 Euro bezahlt. Ihre Löhne sind niedriger. Und weil die Höhe der Rente von der Höhe des Lohns abhängt, erhalten sie auch bedeutend kleiner Renten. Der Unterschied wird dann noch größer. Er liegt bei 46%. Frauen bekommen 46% weniger Rente als Männer.

Warum geschieht dies?

Weil Frauen den größten Teil der lebensnotwendigen Arbeit leisten, nämlich der privaten Sorgearbeit. Diese wird aber nicht bezahlt. Und wenn etwas nicht bezahlt wird, dann gilt das auch nicht als Wertschöpfung. Diese Arbeit erscheint nicht im Bruttoinlandsprodukt (BIP). Es ist für den Staat, als wäre sie nie geleistet worden.

Schon vor 200 Jahren sagte ein damaliger bedeutender Nationalökonom, Friedrich List, dass wer Schweine aufzieht ein produktives Mitglied der Gesellschaft ist, wer dagegen Kinder erzieht ein unproduktives.

Sorgearbeit kostet Zeit. Diese fehlt dann, um Geld zu verdienen. In Deutschland wird mehr Arbeit unbezahlt geleistet als bezahlt. 35 % mehr. D.h. unser Wohlstand baut auf eine Arbeitsleistung auf, die einfach ignoriert wird. Die nicht im geringsten honoriert wird. Die die Menschen, die sie erbringen, finanziell benachteiligt. Alle profitieren davon aber sie wird nicht anerkannt.

Wenn jemand nun Sorgearbeit gegen Bezahlung macht, sich also z.B. als Erzieherin um die Kinder anderer Leute kümmert, im Krankenhaus oder Altersheim fremde Menschen pflegt oder dort putzt, in einem Restaurant für fremde Menschen kocht oder als Prostituierte mit fremden Männern Sex hat, dann gelten alle diese Tätigkeiten als Wertschöpfung. Dann wird von Arbeitsplatz gesprochen, der geschaffen oder erhalten werden muss, damit die Arbeitslosigkeit sinkt. Arbeit ist hier nämlich eine Ware, die verkauft und gekauft wird. Und wir leben in einer Marktwirtschaft, wo nur Wert hat, was vermarktet werden kann.

Und trotzdem werden diese Arbeiten als minderwertig angesehen. Sie sind meistens sehr zeitintesiv. Sie können selten auf Vorrat geleistet werden. Sie setzen voraus, dass die Arbeit genau in dem Moment geleistet wird, wenn sie konsumiert wird. Ein Krankenhaus kann nicht im Homeoffice geputzt werden, sondern konkret vor Ort mit Lappen und Putzmittel. Wenn eine Pflegekraft einen Menschen duscht, dann ist sie während der ganzen Zeit bei dem pflegebedürftigen Menschen und kann nicht einem anderen Menschen nebenbei einen Verband wechseln. Wenn eine Mutter ihr Kind beaufsichtigt, dann kann sie vielleicht dabei Zwiebeln hacken, aber sie muss immer aufmerksam verfolgen, was das Kind gerade anstellt.

Zeitintensive Tätigkeiten lassen sich nicht oder schlecht „rationalisieren“, ohne dass ihre Qualität darunter leidet. Dadurch ist es schwer oder unmöglich Arbeitskräfte einzusparen. Eine „höhere Produktivität“ – nach dem Modell der Fließbandarbeit – ist ein Widersinn, weil eben nicht Dinge hergestellt werden, sondern Menschen in Beziehung zueinander stehen. Und das folgt einer ganz anderen Logik.

Der Neoliberalismus, die Religion oder Ideologie, die den Markt zum Gott macht und unseren Staat immer stärker zu seiner Priesterkaste umfunktioniert, hat inzwischen so stark unser Denken und unsere Kultur durchdrungen, dass Mädchen (aber indirekt auch Jungen und wir alle) so sozialisiert werden, dass man ihnen einredet, nur sogenannte Männerberufe seien erstrebenswert und emanzipierend. Wer „was aus sich machen“ wolle, würde nach Möglichkeit Fachkraft in einem solchen Bereich.

Careberufe seien etwas für Dumme. Care sei denen vorbehalten, die nicht begreifen, dass Geld und Status die wichtigsten Werte in unsere Gesellschaft darstellen.

Solange so gedacht wird, werden nur die Frauen es schaffen, ein Einkommen und einen Status wie Männer zu bekommen, die die notwendige Sorgearbeit an andere Frauen delegieren. Heute sind das meistens Migrantinnen. Denn es muss jemand die Sorgearbeit erbringen. Ohne Sorgearbeit stirbt die Menschheit aus. Ohne Sorgearbeit gäbe es niemanden von uns. Oder hat man schon mal von einem Neugeborenen gehört, der die eigene Mutter dafür bezahlt hat, neun Monate lang in ihrem Bauch heranzuwachsen, dann von ihr geboren zu werden und schließlich von ihr oder sonst jemand anderem aufgezogen zu werden?

Es wird sich nur dann etwas ändern, wenn die Lebens-notwendige Relevanz von Sorgearbeit erkannt wird.

Vielleicht öffnet ja die Corona-Krise den tonangebenden Wirtschaftswissenschaftlern und Politikern die Augen! Und auch allen anderen Menschen. Denn jetzt wird ersichtlich, dass ohne diese Tätigkeiten der Pflege und Sorge um unsere Körper, um unser Wohlergehen und am Leben sein, alles andere wertlos und irrelevant wird.

Wenn Sorgearbeit endlich das verdiente Prestige hat – und solange wir in einer Geldwirtschaft leben auch entsprechend bezahlt wird – dann werden auch genügend Männer* (und hier kann der Genderstern nicht mehr wegbleiben!) sie erledigen.

Was wir weiterhin bedenken sollten ist, dass Geld und Markt historische Phänomene sind. Sie entstanden irgendwann mal, so wie das Auto und die Dampfmaschine, uns so können sie auch irgendwann mal obsolet werden. Und deshalb müssen wir die Idee aufgeben, dass nur der Mensch ein Recht auf Einkommen hat, der geerbt hat oder seine Arbeit zu einer Ware macht. Um damit an Geld zu kommen. Solange wir in einer Marktwirtschaft leben, in der Geld als Tauschmittel notwendig ist, brauchen alle ein Einkommen.

Das sind Gründe, warum Care Revolution – auch aber nicht nur am Equal Pay Day folgendes fordert

1. eine substantielle Reduzierung der Erwerbsarbeitzeit, um ausreichend Zeit für unbezahlte Carearbeit zu haben

2. einen massiven Ausbau von Infrastrukturen der öffentlichen Daseinsfürsorge, damit niemand mit Carearbeit überfordert wird

3. ein Bedingungsloses Grundeinkommen gekoppelt an einem anständigen Mindestlohn, damit alle ein menschenwürdiges Auskommen haben


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