
Im Rahmen von 100 Jahre Frauenwahlrecht wurde im Januar 2019 vom Frauenreferat in Frankfurt ein Kongress veranstaltet. Die Dokumentation liegt nun vor und kann hier gesichtet werden.
Wir haben hier den Bericht über einen Workshop übernommen, der für Care Revolution besonders relevant war.
Der Workshop umfasste verschiedene Aspekte und Dimensionen des Themas Care-Arbeit. Zum Einstieg spielten die Teilnehmenden das „Care-Bingo“ vom Netzwerk CareRevolution. Auf diese Weise wurde sich spielerisch dem Begriff des „guten Lebens“ genähert und herausgearbeitet, wofür dieser steht. Durch die Nebeneinanderstellung wichtiger Bestandteile des „guten Lebens“ wurde die strukturelle Dimension dieser vermeintlich privaten Gegebenheiten deutlich. In Kleingruppen diskutierten die Teilnehmenden anschließend den Text „Feministische Kritik an Erwerbsarbeit und am Arbeitsbegriff“[1]. Anschließend folgten zwei frontale Inputvorträge zu den Themen „Überblick zum Care-Diskurs in feministischen Bewegungen und Theorien“ (Jan Wetzel) sowie „Feminisierung und Kolonialismus von Arbeit“ (Encarnación Gutiérrez Rodríguez). Abschließend folgte eine Diskussionzwischen Referierenden und Teilnehmenden, die von Anna Kellermann (Amt für Multikulturelle Angelegenheiten, LSBTIQ-Stelle) moderiert wurde.
Zentral für die gesamte Diskussion war die Frage in welchem Verhältnis Emanzipation und Arbeit stehen?Im Kontext dessen wurde darüber diskutiert, ob Emanzipation erreicht ist, wenn Frauen* entlohnte, öffentlich sichtbare Erwerbsarbeit und Karriere machen? Damit dies möglich ist, müssen unter anderem folgende Forderungen erfüllt sein: Chancengleichheit in Ausbildung und beruflichem Aufstieg, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Kollektivierung von Erziehungsarbeit, flexible Arbeitszeiten, Möglichkeit zur Heimarbeit, kinderfreundliche Gestaltung der Arbeitsplätze, Verkürzung der entlohnten Arbeitszeit, Lohngleichheit von Männern und Frauen*. Feststellbar ist eine Tendenz der Emanzipation weißerFrauen durch Karriere in sichtbarer Lohnarbeit, bei gleichzeitiger Rassifizierung von Care-Arbeit, die weiterhin geringgeschätzt und schlecht entlohnt ist. Somit ist Care-Arbeit als Teil geschlechtsspezifischer, rassifizierter gesamtgesellschaftlicher Arbeitsteilung zu verstehen. Daran schloss die Frage an, ob Emanzipation durch die Aufwertung feminisierter, rassifizierter Arbeit stattfinden kann? Notwendig wäre in diesem Sinne ein transformativer Prozess hin zu einer Gesellschaft, die Car-Arbeit als zentral für ihr Bestehen ansieht. Das dichotome Verständnis von Produktions- und Reproduktionsarbeit muss dazu aufgebrochen werden: Wenn niemand wäscht, kocht, abspült, putzt, Kinder und Pflegebedürftige pflegt und soziale Beziehungen aufrecht erhält, sind die Grundvoraussetzungen nicht gegeben die man benötigt, um Lohnarbeit nachgehen zu können. Damit einhergehende Forderungen sind beispielsweise: Anerkennung und Aufwertung von Sorgearbeit und Care-Ethik, Lohn für Hausarbeit, Hausfrauen*streik, bezahlter Hausfrauen*tag, bessere Arbeitsbedingungen in Care-Berufen. Hierbei besteht jedoch weiterhin die Gefahr, dass Frauen* auf klassische Care-Tätigkeiten festgeschrieben werden, und Männer/Väter diesbezüglich keine Verantwortung übernehmen. Care muss hingegen als common careverstanden werden, nicht individualisiert, sondern als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zudem sind Arbeitsmoral und kapitalistische Produktivitätslogik generell zu hinterfragen (Emanzipation von der Arbeit). Im Sinne einer Wertedebatte gilt es zu hinterfragen, warum Menschen sich so sehr über Arbeit und Produktivität definieren und sich selbst oder anderen dementsprechend Wert zusprechen.
[1]Scheele, Alexandra (2009): Jenseits von Erwerbsarbeit? Oder: Ein neuer Versuch, die richtigen Fragen zu finden. In: Kurz-Scherf, Ingrid et al.: Feminismus: Kritik und Intervention. Westfälisches Dampfboot Münster, S. 180–196
– von Miriam Kruse